Sehr geehrte Mitglieder des Parlaments,
Am 10. Juli 2014 sind Sie angehalten über die Reform der Studienbeihilfen, das Gesetzesvorhaben 6670 abzustimmen. Über die letzten Monate kam es in diesem Zusammenhang zu der größten Protestwelle seit Jahrzehnten, u.a. gingen 17.000 junge Menschen unter dem Motto „Et spuert een net un der Bildung“ auf die Straße. Nach der Einführung des vorliegenden Gesetzesvorhabens stehen jedem Studierenden im Schnitt über 2000¤/Jahr weniger zur Verfügung. Das Aktionskomitee 6670 hat sich die letzten Monate dafür eingesetzt, dass die Reform grundlegend überarbeitet wird.
Wir bedauern zutiefst, dass die Reform, ähnlich wie die von 2010, unter einem straffen Zeitplan geschrieben wurde und nun unvollendet durch das Parlament soll. Der Raum für weitere wichtige Diskussionen, eine Evaluation des aktuellen Systems und die nötigen Studien ist nicht mehr gegeben. Dank einer repräsentativen Umfrage des Aktionkomitee 6670 könnte der Reformprozess nun endlich mit ersten Daten über die realen Lebensbedingungen der Studierenden bereichert werden.
– 37% der Stundent*innen studieren zur Zeit ohne finanzielle Unterstützung der Eltern. Das Gesetz 6670 beendet nun das Prinzip der Autonomie: Ohne Übergangsphase ist eine hohe Zahl von Studierenden zum Studienabbruch gezwungen.
– Die Lebenshaltungs- und Studienkosten variieren sehr stark nach Studienland bzw. -stadt. Die im Gesetz 6670 gepriesene Bedarfsorientierung ist nicht gewährleistet.
– Verschiedene Teile des Gesetzes erweisen sich als äußerst sozial ungerecht. So ist etwa die Auslegung der „Mobilitätszulage“ und die „Familienzulage“ praktisch eine Subvention für reichere Eltern.
– Die Budgetberechnung des vorliegenden Gesetzes sind fehlerhaft. Nicht 122Mio€ sondern lediglich 108Mio€ werden die vorgeschlagenen Maßnahmen kosten, noch weniger im Falle der zu erwartenden rückgängigen Studierendenzahl und der häufigen administrativ-bedingten Antragsablehnungen.
– Das Gesetz stellt durch die Auslegung der Mobilitätszulage erneut eine Diskriminierung von Kindern aus Grenzgängerfamilien dar.
Am Donnerstag gegen das Gesetzesvorhaben 6670 zu stimmen, wäre somit keine Blockadehaltung, sondern ein erster wichtiger Schritt, eine wirklich nachhaltige und gerechte Reform der Studienbeihilfen in erweitertem Zeitrahmen, mit fundierter Grundlage und im Dialog mit allen Beteiligten zu ermöglichen.
Wir appellieren deshalb an Sie in der Arbeit des Parlaments nicht buchhalterische Ziele über eine fundierte Ausarbeitung des Gesetzes und damit über das Wohl der Studierenden zu stellen. Die Entwicklung der Ausgaben für Studienbeihilfen nur als „Kostenexplosion“ zu sehen und dabei die offensichtlichen Erfolge (parallel zur Verdreifachung der Kosten: Verdreifachung der Studierendenanzahl) nicht anzuerkennen ist ein fragwürdiges Verständnis vom Sinn der Bildungspolitik. Wir möchten dringend dazu anregen, den Prozess um ein Jahr zu verlängern. Am Ende dieser Frist könnte dann ein Gesetz stehen, das den eigenen Ansprüchen der Autonomie, der Bedarfsorientierung und der sozialen Selektivität wirklich gerecht wird und weder Gefahr läuft, ein administrativen Chaos von unbekanntem Ausmaß zu werden, noch eine Welle von Klagen gegen den luxemburgischen Staat nach sich zu ziehen. Sollte dieses Gesetz durchkommen, wäre dies ein fatales Signal der Politik an die junge Generation: Durch das Kürzungsprogramm beim System der Studienbeihilfen sollten die Jüngsten der Gesellschaft den ersten Beitrag zur Sanierung des Staatshaushalts leisten. Mit dem Kürzen kann dabei nicht mal ein Jahr gewartet werden um wenigstens technische Fehler in den Griff zu bekommen, lieber schickt die Politik 25.000 junge Menschen in ein Experiment.
Im Anhang dieser Mail finden Sie eine Zusammenfassung unserer Studie.
Hochachtungsvoll,
Das Aktionskomitee 6670
Das Aktionskomitee 6670 setzt sich zusammen aus den Studierendenvertretungen UNEL, LUS, dem Künstler*innenkollektiv Richtung22, den Jugendparteien JSL, Jonk Lénk, JCL, Jonk Piraten, den Schülerkomitees der Schulen LGL, LGE und LCD sowie einzelnen engagierten Schüler*innen und Studierenden. Solidarisch erklärt haben sich die Gewerkschaften OGBL, LCGB, ALEBA, SNE CGFP, SEW, die Chambre des Salariés, die Österreichische Hochschüler*innenschaft, die französische Union des Etudiants Communistes UEC, die europäische Schüler*innenvertretung OBESSU und die europäische Studierendenvertretung ESU.