Soziale Kürzungspolitik?

Bemerkungen des Aktionskomitees 6670 zu den Änderungsvorschlägen der Regierung und Versuchen, das Gesetz 6670 als „sozial gerecht“ zu präsentieren.

1) Die rezenten Veränderungen sind ein Ablenkungsmanöver

Die rezent bekannt gewordenen Veränderungen des Gesetzestextes stellen nur eine minimale Verbesserung dar und sind als Versuch von Claude Meisch zu sehen den Protest mundtot zu machen. Kurz vor den Europawahlen versucht die Regierung mit diesem Ablenkungsmanöver Medien und Öffentlichkeit auf die falsche Spur zu locken. Claude Meisch reagiert mit diesen Änderungen nur auf Bedenken, die bereits aus dem Staatsrat geäußert wurden um einem Avis negativ zuvorzukommen: d.h. um das Gesetz um so schneller durchs Parlament zu jagen.

1) Neue Geldmittel werden nicht aufgebracht: Die „Mehrausgaben“ von denen Claude Meisch spricht, entsprechen dem Betrag, der wegen falscher Einschätzungen bei der „Anti-Cumul-Regelung“ und fehlerhafter Statistik bei der „sozialen Beihilfe“ sowieso noch zur Verfügung stand. Somit bleibt es insgesamt bei einer Kürzung von im Schnitt 2100€/Jahr pro Student*in.
2) Die neue „bourse de famille“ ist sozial ungerecht. Nicht die Gesamtzahl der Kinder, sondern nur die Anzahl der Kinder, die gleichzeitig studieren werden berücksichtigt. Familien in denen nur ein Kind studiert und weitere Kinder etwa eine Ausbildung machen gehen leer aus. Die neue „bourse de famille“ wirft insgesamt mehr Fragen auf, als beantwortet werden: Werden Geschwister die studieren, allerdings in Studiengängen die vom CEDIES nicht anerkannt werden (z.B. verschiedene Kunst-, Pilotschulen) angerechnet? Werden Halbgeschwister angerechnet? Auch wenn es auf Grund von fehlenden Studien kein Zahlenmaterial gibt, kann doch davon ausgegangen werden, dass ähnlich wie in unseren Nachbarländern, gerade Kinder aus bildungsferneren Schichten nur seltener studieren. Somit könnte diese Zulage unter dem Strich sogar einen sozial regressiven Effekt haben und nicht dem Ziel der Bedarfsorientierung gerecht werden.
3) Die Ankündigung einer Erhöhung der „sozialen Beihilfe“ ist ohne Details über die Stafflung zwecklos. Wenn niemand in die höchste Kategorie fällt (wie die CSL bereits zeigen konnte) spielt die höchste Kategorie keine Rolle.
4) Für weitere minimale Änderungen steht Studierenden nicht mehr Geld, sondern nur mehr Kredit zur Verfügung. Die Verschuldung der Studierenden steigt, der Staat jedoch hat keine wesentlichen Mehrausgaben.

2) Das Gesetz 6670 und die rezenten Änderungen sind nicht sozial

Grundsätzlich ist es abenteuerlich die Kürzung der Studienbeihilfe, einer Sozialausgabe, überhaupt als „sozial gerecht“ darstellen zu wollen. Vor allem wenn klar wird, dass die Reform für die meisten Studierende mit sozio-ökonomisch schwächeren Hintergründen keine Verbesserung, sondern allerhöchstens den Status Quo darstellt.

Zur Finanzierung der Studienbeihilfen werden über den Steuerweg die nötigen Gelder generiert um die Studienbeihilfen auszahlen zu können. Gute Bildung und Ausbildung zu garantieren ist Aufgabe des Staates und erfolgreiche Absolvent*innen sind eine Bereicherung für die gesamte Gesellschaft. Das Gesetzesprojekt 6670 zielt nun darauf ab, die Verantwortung des Staats auf Eltern zu verschieben. Anstatt also über Steuergerechtigkeit diese gesellschaftliche Aufgabe zu bewältigen, werden Eltern, aber auch Studierende über eigene Verschuldung, mehr belastet. Wieso aber sollten Besserverdienende ohne Kinder (bzw. ohne Kinder die studieren) nicht ebenso für die Bildung der nächsten Generation zahlen wie Besserverdienende mit Kindern? Es ist zutiefst unsozial die Verantwortung für die Finanzierung der Bildung von der gesamten Gesellschaft auf Familien abzuwälzen.
Zu diesen allgemeinen Phänomenen, die bereits deutlich aufzeigen, inwiefern das Kürzen der Beihilfen insgesamt als unsoziale Maßnahme bezeichnet werden muss, kommen eine Vielzahl an „unsozialen Details“, auf die Protestbewegung, Gewerkschaften und CSL hinweisen. Hier einige Beispiele, eine vollständige Liste ist dem Avis des Aktionskomitees zu entnehmen.

– Mobilitätsbeihilfe: Durch die Koppelung der Mobilitätsbeihilfe an das Verlassen des eigenen Landes werden hauptsächlich sozio-ökonomische schwächere Haushalte getroffen da sich Studierende mit diesen Hintergründen wesentlich seltener für ein „Studium im Ausland“ entscheiden.
– Soziale Beihilfe: Allein das „Gehalt“ des Haushaltes wird als Kriterium zur Berechnung der sozialen Beihilfe herangezogen. Gehälter die nicht über Luxemburg versteuert werden, Kapital, Immobilien oder Besitz wird nicht angerechnet, außerdem könnten Schulden auch nicht geltend gemacht werden.
– Weitere Maßnahmen, wie etwa die Verkürzung der Beihilfedauer (Regelstudienzeit +1), unzureichende Rückerstattung der Studiengebühren, das Nicht-Anpassen der Freibeträge für eigene Erwerbstätigkeit, das Fehlen eine Übergangsphase vom „System Biltgen“ zum 6670, die steigende Notwendigkeit der Verschuldung u.v.a. treffen vor allem Studierende mit sozio-ökonomisch schwachem Hintergrund.

Dieses Gesetz ist in höchstem Grade unsozial. Das Aktionskomitee wies bereits mehrfach darauf hin, dass insgesamt die nötigen Impakt-Studien fehlen um überhaupt richtige Lösungen für soziale Benachteiligungen entwickeln zu können. Anstatt Studieninteressierte mit sozio-ökonomische schwächeren Hintergründen zu stärken und dafür zu sorgen, dass bekannte Phänomene sozialer Benachteiligung gezielt bekämpft werden (dazu gehören z.B. auch Auswirkungen auf die Wahl des Studienfachs und -ortes durch Geschlecht, Herkunft und Alter) begnügt sich Minister Meisch damit seine Kürzungsreform anhand eines einzigen Kriteriums gestaffelt abzufedern.

Studierende sind nicht reich, sie haben im Regelfall kein Einkommen und besitzen kein Kapital. Auch sind nicht alle Vermögenden dieser Gesellschaft Eltern von Studierenden. Anstatt also jeden Studierenden nun anhand des Einkommens des Elternhauses zu kategorisieren, könnte die Regierung für Steuergerechtigkeit sorgen und so die nötigen Mittel erlangen um der Aufgabe jedem jungen Menschen ein Studium zu ermöglichen gerecht zu werden.

Fazit

Weder die Beschwichtigungen noch die Änderungsvorschläge von Minister Meisch machen aus diesem Kürzungsprogramm ein „soziales System“. Minister Meisch gibt selbst zu, dass eine „soziale Beihilfe“, die wirklich mehr Gerechtigkeit schaffen könnte einen höheren bürokratischen Aufwand mit sich bringen würde und es eigentlich mehr Kriterien gibt die zu berücksichtigen wären.
Die Änderungsvorschläge zielen also darauf ab, der Öffentlichkeit eine Antwort auf die anhaltenden Proteste zu liefern, ohne dabei wirkliche Eingeständnisse zu machen. Das Aktionskomitee weist erneut darauf hin, dass das Modell mit 3 Säulen durchaus gewünscht, durch die Kürzungen insgesamt aber nicht genug finanzielle Mittel zu Verfügung stehen um dieses System tragfähig zu machen.
Das Einführen einer „sozialen Beihilfe“ sollte nach Ansicht des Aktionskomitee aber nicht dazu benutzt werden möglichst viel Budget einzusparen, sondern eine Möglichkeit sein, punktuell jenen zu helfen, die sich bisher aus finanziellen Gründen gegen ein Studium entschieden haben.